Vegan werden ist viel mehr als einfach nur etwas anderes zu essen beziehungsweise bestimmte Lebensmittel zu meiden. Die vegane Ernährung bringt einige Umstellungen und Neuerungen im Leben mit sich, einige davon sind positiv, andere vielleicht nicht so sehr. Die meisten Artikel im Netz oder auf Instagram befassen sich vorrangig mit der veganen Ernährung an sich. Ich möchte dir in diesem Beitrag zeigen, was ich in meinem vergangenen Jahr als Veganerin gelernt habe und wie ich heute darüber denke.
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Es kann sein, dass du zunimmst … oder abnimmst
Oft wird gesagt, dass durch eine Ernährungsumstellung auf die pflanzliche Nahrung die Kilos nur so purzeln. Das war in den 80ern und 90ern sicherlich noch häufiger der Fall als noch in 2021/2022. Mittlerweile dürfen wir aus einer wahnsinnig großen Vielfalt an Ersatzprodukten wählen. Vorbei sind die Zeiten in denen Veganer nur Obst, Gemüse und Getreide essen konnten. Von der TK-Pizza bis hin zum Eis – es gibt alles was das Veganer-Herz begehrt. Natürlich sind diese Kalorienbomben nicht gesund, nur weil sie ein Vegan-Logo tragen. Eine Tiefkühl-Pizza in Vegan ist immernoch ein hochverarbeitetes Produkt, mit vielen Kalorien und Fett. Wenn du also eine Gewichtszunahme vermeiden möchtest, widerstehe der Verlockung und kaufe nicht gleich alle Ersatzprodukte aufeinmal. Finde eine Balance zwischen verarbeiteten und unverarbeiteten Lebensmitteln. Ich nutze in etwa die 80-20 Regel. 80% der Lebensmittel, die ich esse, sind weitestgehend unverarbeitet. Bei den verbleibenden 20% darf ganz nach Gelüsten geschlemmt und ausprobiert werden.

Deine Regeneration als Sportler wird besser sein
Eine verbesserte Regeneration scheint ein Effekt zu sein, den bereits viele vegane Sportler beobachten konnten. Ich besuche seit mehr als sechs Jahren mehrmals die Woche das Fitnessstudio und betreibe Kraftsport. Meine Kraftwerte haben sich nie so kontinuierlich gesteigert, wie seitdem ich mich vollständig vegan ernähre. Muskelkater tritt seltener auf und ist in Intensität und Dauer nicht mehr mit früher zu vergleichen. Eine mögliche Erklärung ist die gesteigerte Nährstoffaufnahme durch eine gesündere Ernährung. Die vegane Ernährung ist sehr reich an Nährstoffen und dabei relativ kalorienarm. Das bedeutet, man kann mehr davon essen, nimmt nicht an Körperfett zu und nimmt Unmengen an gesunden Nährstoffen auf.
Jeder wird plötzlich zum Ernährungsberater
Es kommt meistens irgendwann der Punkt, an dem man mit anderen Menschen über Ernährung spricht. Und das liegt nicht daran, dass Veganer allen Menschen auf die Nase binden müssen, dass sie vegan sind (wie so oft behauptet wird). Essen ist in unserem Kulturkreis etwas sehr Soziales. Menschen treffen sich zum Essen gehen, Menschen sprechen über das was sie gegessen haben oder verabreden sich zu einem gemeinsamen Kochabend. Dementsprechend ist es auch unumgänglich, dass zumindest der engste Kreis die eigenen Ernährungsgewohnheiten kennenlernt. Wer sich als Veganer outet, gerät gelegentlich in die Schusslinie. Nicht jeder befürwortet die Entscheidung vegan zu leben. Fast jeder hat irgendwo schon einmal etwas über Veganismus gehört oder gelesen. Sobald die vegane Ernährung zur Sprache kommt, tendieren viele Menschen dazu plötzlich vermeintliches Fachwissen über Ernährung auszupacken. Aufeinmal ist jeder Ernährungs-Experte und kann dich ungefragt beraten. Das reicht von „Veganer haben doch eh alle einen Nährstoffmangel“ über „Woher bekommst du denn dein Eiweiß?“ bis hin zu „Das ist keine gesunde, ausgewogene Ernährung“. Das Einzige was hier hilft? Ruhig bleiben, durchatmen und besser informiert sein als der kritische Gesprächspartner. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl an (vermeintlich) wissenschaftlich begründeten Argumenten gegen den Veganismus. Du brauchst also keine Angst vor einer Diskussion haben, denn du kannst dich bestens vorbereiten.

Es gibt viele dumme Sprüche gegen Veganer
Es gibt die Menschen, die sachlich, fundiert und vermeintlich wissenschaftlich gegen die vegane Ernährungs- und Lebensweise argumentieren. Und dann gibt es noch die anderen. Die Personen, die emotional reagieren und sich von der veganen Lebensweise per se angegriffen fühlen. Es kann vorkommen, dass dir verschiedene, dumme Sprüche begegnen werden. Aber warum fühlen sich Fleischesser eigentlich von uns Veganern angegriffen? Dieses Phänomen ist unter dem Begriff „Meat-Paradox“ bekannt. Das bezeichnet, die kognitive Dissonanz, die Fleischesser erleben, wenn sie plötzlich ihre eigene Ernährung und Tierliebe miteinander in Einklang bringen müssen. Tierliebe und Fleisch essen – das sind zwei miteinander unvereinbare Ansichten.Veganer leben den Fleischessern vor, dass das eigentlich nicht zusammenpasst. Diese zwei aufeinanderprallenden Ansichten im Kopf verursachen Stress. Der Fleischesser fühlt sich verurteilt. Und wer ist schuld? Der blöde Veganer, der alles besser weiß.

Jeder erzählt dir, wie wenig Fleisch er selbst isst
„Ich esse ja auch nur ganz selten Fleisch und auch nur vom Metzger meines Vertrauens“ oder auch: „Ich esse immer nur Biofleisch“. Das sind Sätze, die zur Sprache kommen, wenn man sich selbst als Veganer outet. Warum? Der Grund ist vermutlich eine Rechtfertigung vor sich selbst und vor anderen. Aus dem bereits oben genannten Meat-Paradox heraus. Wenn das „Ich kaufe nur beim Bio-Metzger“ in der breiten Masse der Realität entspräche, dann würden nicht 98% des Fleischs im Handel aus Massentierhaltung stammen. Es kann natürlich sein, dass jemand regelmäßig sein Fleisch beim Metzger holt. Das heißt aber nicht, dass dieses Fleisch besser ist, weil dafür ein glückliches Tier (wer kann das eigentlich beruteilen?) gestorben ist. Auch heißt das nicht, dass Essen gehen und der Besuch von Fastfood Restaurants und Lieferservices mit einkalkuliert werden. Dort sind tierische Produkte mehr oder weniger offensichtlich verarbeitet, deren Herkunft dem Konsumenten unbekannt ist. Das ist der „heimliche“ oder „unabsichtliche“ Fleischkonsum, der niemandem so direkt auffällt. Wie du damit umgehen kannst? Am besten gar nicht. Sich an diesem Punkt in Diskussionen verstricken zu lassen, endet meistens nur emotionalen Argumentationsgeflechten. Vor allem bei Personen, die du nicht gut kennst, ist es ratsam es dabei zu belassen.
Du wirst Fehler machen
Ich würde mir wünschen, dass wir in der perfekten Welt leben, in der jedes vegane Produkt ein eindeutiges Vegan-Siegel aufgedruckt hat. Leider lässt sich unser aktuelles Vegan-Siegel kaum vom Vegetarisch-Siegel unterscheiden. Das ist schon mal die Fehlerquelle Nummer 1. Dazu kommt, dass nur ein kleiner Bruchteil der veganen Lebensmittel tatsächlich durch ein Vegan-Logo gekennzeichnet ist. Die meisten Produkte sind „heimlich“ vegan. Das Lesen von langen, kryptisch erscheinenden Zutatenlisten, wirst du mit der Zeit lernen. Aber trotzdem passieren ab und zu Fehler. Das ist vollkommen normal und nicht schlimm! Auch mir ist nach einem Jahr als Veganerin aufgefallen, dass in meiner Gemüsebrühe ein Milchbestandteil enthalten war. Die Welt geht deshalb aber nicht unter. Niemand verlangt von dir perfekt zu sein, deshalb solltest du diesen Anspruch auch nicht an dich selbst haben.

Du lernst Diskutieren und Kritik auszuhalten / nicht persönlich zu nehmen
Wenn du partout nicht in eine Diskussion verstrickt werden möchtest, lässt sich das natürlich vermeiden. Ich kann allerdings aus meiner Erfahrung berichten, dass sich die Argumente gegen den Veganismus stetig wiederholen und ich dadurch an Diskussions-Praxiserfahrung gewinnen konnte. Wer Lust hat, kann mit der Zeit auch mal verschiedene Diskussions-Ansätze ausprobieren. Du könntest mal sachlich und mal eher emotional argumentieren und sehen wie dein Gegenüber darauf reagiert. Behalte eines dabei stets im Hinterkopf: Argumente gegen den Veganismus oder gegen Veganer haben nie etwas mit dir zutun. Nimm so etwas niemals persönlich. Dumme Sprüche haben immer nur etwas mit den Glaubenssätzen des jenigen zutun, der diese ausspricht – und nicht mit dem der angesprochen wurde.
Du wirst dich mental besser fühlen
Ich glaube daran, dass das was wir essen nicht nur einen Einfluss auf unseren Körper, sondern auch auf unseren Geist hat. Denk mal darüber nach. Kann das einen positiven Einfluss auf uns haben, wenn wir Fleisch essen von Lebewesen, die voller Stresshormone gestorben sind und dabei vielleicht sogar Schmerzen hatten? Ich denke, dass das Gegenteil der Fall ist. Auch aus diesem Grund bin ich überzeugt davon, dass die vegane Ernährung nicht nur unserem Körper, sondern auch unserem Geist gut tut.
Einkaufen kann glücklich machen
Ja ok, am Anfang dauert Einkaufen länger als gewöhnlich. Inhaltsstofflisten lesen und die Produktsuche erfordern eine neue Orientierung im Supermarkt. So viele neue Produkte wollen ausgetestet werden. Nach einigen Wochen wirst du allerdings erkennen, dass es auch einen Vorteil hat, große Sektionen im Supermarkt (Fleisch und Molkereiprodukte) direkt auslassen zu können. Der Einkauf geht wesentlich schneller von statten als in der Vergangenheit. Und einen weiteren Effekt habe ich beobachten können: Jedes Mal, wenn ich meinen Einkauf auf dem Warenband sehe, fühle ich mich einfach gut. Ich weiß, dass ich mit meinem Einkauf etwas Gutes tue. Ich gebe meinem Körper die Nahrung, die er braucht und schade dabei keinem Lebewesen. Auch wenn mir das früher nicht wirklich bewusst war, hatte ich trotzdem ein tiefsitzendes, unterbewusstes schlechtes Gewissen, wenn ich Fleisch gekauft habe. Dieses Gefühl ist jetzt nicht mehr vorhanden. Erst jetzt kann ich diese Leichtigkeit spüren und feststellen, dass ich zuvor unter einem verdrängten, schlechten Gewissen gelitten habe.

Vegetarier und Veganer sind ganz normale Menschen
Eigentlich logisch oder? Das war für mich, wenn ich zurückdenke, ganz lange gar nicht so klar. Veganer erschienen mir immer als die perfekten Gutmenschen, die alles richtig machen und auf uns anderen herabblicken. Bestimmt gibt es auch solche Veganer, das möchte ich hier nicht ausschließen. Aber alle die ich kennengelernt habe, sind sehr offen und positiv. Die vegane Community ist nicht belehrend oder böse, sondern viel eher hilfsbereit und positiv allen gegenüber, die der veganen Ernährung eine Chance geben. Falls du Angst hast, dich durch den Schritt hin zur veganen Ernährung, bei deinen Freunden und Bekannten sozial auszugrenzen, kann ich dir nur dazu raten, dir Kontakt zu Gleichgesinnten zu suchen. Facebook Gruppen sind eine großartige Möglichkeit, um Veganer in deiner Stadt kennenzulernen oder sich über neue vegane Schätze im Supermarkt auszutauschen. Das bedeutet nicht, das du deinen alten Freundeskreis neu besetzen sollst. Aber es kann guttun, sich mit Menschen auszutauschen, die die eigenen Herausforderungen verstehen und dich in deinem Vorhaben bestärken.