Die Entscheidung, sich selbst als vegan zu bezeichnen, erscheint sehr endgültig. Denn, wer sich selbst vor anderen als Veganer „outet“ sagt gleichzeitig, dass er oder sie gänzlich auf tierische Lebensmittel verzichtet. Vor allem in den ersten Monaten nach der Umstellung auf die pflanzliche Ernährung, fällt es vielen Menschen schwer selbst als vegan zu betiteln.

Im veganen Kosmos scheint es nur schwarz oder weiß zu geben. Entweder es wird sich komplett vegan ernährt, oder man ist kein Veganer. Dieses alles oder nichts Denken, schreckt viele Menschen ab. Der Gedanke von sich selbst Perfektion zu verlangen und von heute auf morgen komplett vegan zu sein, hält viele davon ab es überhaupt auszuprobieren.

Vielleicht kennst du sie auch, diese Fragen im Kopf: Was passiert denn, wenn ich doch mal Lust auf Pizza mit Käse habe? Bin ich dann kein Veganer mehr? Bin ich dann ein schlechter Mensch? Ich hatte doch gesagt ich lebe vegan!

Ein Rückfall von der veganen Ernährung auf vegetarisch oder mischköstlich bedeutet für viele vegan lebende Menschen, dass sie gescheitert sind.

In diesem Artikel teile ich meine Tipps und Tricks mit dir, wie du einen Rückfall am besten vermeidest und warum nicht die Welt untergeht, wenn du mal ein Stück Toast mit Butter gegessen hast 😉 .

Die Gewohnheit vegan zu leben

Gehen wir davon aus, du hast dich grade dazu entschieden, vegan werden zu wollen. Das ist super! Zuerst sei einmal gesagt, eine Umstellung auf eine andere Ernährungsform, egal welcher Art, braucht Zeit. Und diese Zeit darfst du dir auch nehmen. Niemand sagt dir, dass du von heute auf morgen zu 100% vegan leben musst. Die einzige Person, die hier das Tempo angibt, bist du! 

Bei der Umstellung auf vegan, geht es nicht darum diese möglichst schnell zu vollziehen. Es geht darum, die Umstellung möglichst nachhaltig zu gestalten. Leichtigkeit, Gesundheit und Genuss dürfen im Vordergrund stehen. Du darfst dir alle Zeit der Welt nehmen, um z.B. deinen neuen veganen Lieblingskäse zu suchen, bis du wirklich keine Käsepizza mehr isst. Denn was könnte passieren, wenn du dir die Käsepizza verbietest und noch keine Alternative dazu gefunden hast? Irgendwann plagen dich die Gedanken an die Pizza so sehr, dass du beim nächsten Pizzeria Besuch mit deinen Freunden doch die Quattro Formaggi (4 Käse) bestellst. Hallo schlechtes Gewissen!  

Gewohnheiten machen das Leben einfacher

Ein weiterer positiver Effekt, wenn du dir ausreichend Zeit für deine Umstellung nimmst, sind die Gewohnheiten, die du etablieren kannst. Wir Menschen sind richtige Gewohnheitstiere und erlernen Verhalten, je öfter wir es trainieren. Du musst eine Veränderung deiner Gewohnheiten immer und immer wieder tun, bis es irgendwann von allein läuft. Und selbst dann, kann es doch mal passieren, dass ein Rückfall eintritt.

Man könnte auch den Konsum tierischer Produkte als eine Gewohnheit betrachten. Zu Beginn wird es dir vielleicht noch schwerer fallen, im Supermarkt das richtige auszuwählen. Nach 10 Einkäufen weißt du schon, worauf du achten musst und nach 100 Einkäufen bist du ein echter Profi. So nimmt auch das erlernte Verlangen nach dem Konsum von tierischen Produkten ab. Mit der Zeit wirst du andere Gerichte und Alternativprodukte kennenlernen, so dass dein Verlangen immer mehr zurück gehen wird.

Wie entstehen Rückfälle und wie kannst du vorbeugen?

Sehen wir uns einmal die typischsten Gründe für einen Rückfall an. Bereits im Vorhinein auf potenzielle „Risiken“ vorbereitet zu sein erleichtert es, diesen vorzubeuten. Je nachdem, was bei dir der Trigger hinter einem Rückfall ist, gibt es entsprechende Strategien, um diesen vorzubeugen.

Rückfall-Grund #1: Aufwand

Zum einen hätten wir hier, den Aufwand der betrieben werden muss, um vegane Produke und Rezepte kennen zu lernen und auszuprobieren. Es kann als umständlich betrachtet werden, quasi neu kochen zu lernen und nicht mehr direkt auf altbewährtes zurück greifen zu können.

Was hilft?
Vorbereitung! Nimm dir Zeit und sammle vegane Gerichte, die dir zusagen. Du kannst anfangs z.B. nur am Wochenende vegan kochen und dabei neue Rezepte ausprobieren. Wenn du normalerweise kein Fan der asiastischen Küche bist, dann schreibe dir nicht direkt die Asia-Tofu Pfanne in deinen Wochenplan. Mit der Zeit wirst du genügend neue Rezepte erlernt haben, dir dir auch allesamt schmecken.

Rückfall-Grund #2: Stress

Ein weiterer Punkt ist Stress und der Umstand, dass nicht unbedingt in jeder Situation direkt ein veganes, gesundes Essen vor dir steht. Bei Stress kommt es oft zum „Rückfall“ in alte Denk- und damit auch Essmuster. Es gibt beispielsweise Restaurants, in denen die Auswahl an veganen oder sogar vegetarischen Gerichten zu wünschen übriglässt. Tatsächlich ist es häufig die unmittelbar nicht gegebene Verfügbarkeit veganer Alternativen, die einen Rückfall begünstigen kann. Auch bei Langstreckenflügen könnte es sein, dass du keine vegane Option zur Verfügung hast. Wer unvorbereitet in diese Situationen geht, kann schnell gestresst sein und die vegane Ernährung kann umständlich wirken.

Was hilft?
Erneut: Vorbereitung! Recherchiere im Vorhinein, wenn du auswärts essen willst. Die meisten Restaurants stellen ihre Speisekarte online zur Verfügung. Sicher hilft dir das Personal auch am Telefon weiter. Wenn es zunächst keine vegane Option gibt, kannst du nachfragen, ob sich aus verschiedenen Beilagen der Karte ein neues Gericht für dich kreieren lässt. Alternativ kannst du über Apps wie z.B. Happy Cow vegane und vegan-freundliche Restaurants finden. Dort wirst du sicher fündig! Bei Flugreisen ist es ratsam, selbst ein eigenes Lunch-Paket mitzunehmen, um gar nicht erst in eine solche Situation zu kommen.

Rückfall-Grund #3: Geschmack

Ein Rückfall kann auch aus Gelüsten nach einem bestimmten Geschmack entstehen. Grade bei Fleisch oder Fisch, gibt es trotz der Vielfalt an Ersatzprodukten, nichts was wirklich 1:1 an den Geschmack des tierischen Originals herankommt. Viele Veganer finden das nicht schlimm. Ist die Gewohnheit einmal etabliert und wurden Alternativen gefunden, fehlt vielen vegan lebenden Menschen der Geschmack nichit mehr.

Was hilft?
Deine Motivation. Überdenke noch einmal, warum du dich entschieden hast, vegan zu werden. Umwelt? Gesundheit? Tierschutz? Wenn deine Gründe stark genug bist und du wirklich überzeugt bist, von dem was du tust, wird auch ein 10-minütiger Genuss dich nicht davon abbringen können. Du bist nicht so sicher was diesen Punkt angeht? Ich habe dir schon einen ganzen Blogartikel zum Thema Motivation vorbereitet. Falls du gerne Dokumentationen schaust, habe ich dir hier meine absoluten Favoriten aller Vegan-Dokus zusammengefasst.

Rückfall-Grund #4: Soziale Faktoren

Mangelnde Unterstützung von Freunden und Familie kann ein weiterer Grund sein, warum ein Rückfall passieren kann. Insbesondere wenn man immer wieder auf Unverständnis und Kritik bezüglich der eigenen Ernährung stößt.

Was hilft?
Etabliere dir ein vegan-freundliches Umfeld. Das muss nicht bedeuten, dass du den Kontakt zu deinen alten Freunden oder deiner Familie abbrechen sollst. Aber durch Facebook-Gruppen oder Instagram-Kontakte, lernst du Leute kennen, die vor denselben Herausforderungen wie du stehen. Der Austausch mit gleichgesinnten kann vieles einfacher machen.

Und was, wenn es doch einen Rückfall gab?

Bin ich noch ein Veganer, wenn ich aus Versehen ein Stück Toast mit Butter gegessen habe? 

Kurze Antwort: Ja, natürlich! In der heutigen Gesellschaft tendieren wir dazu, an uns selbst sehr hohe Ansprüche zu stellen. Diesen können wir nicht immer genügen. Es kann sehr unbefriedigend für dich sein, eine Ausnahme von der veganen Ernährung gemacht zu haben. Dabei gibt es dafür keinen Grund. Du hast dich bereits die ganze Zeit, außerhalb dieses Rückfalls, vegan ernährt. Das ist doch super!

Es kann schwer sein, sich in die Schubladen Mischköstler, Vegetarier oder Veganer einzuordnen. Im Endeffekt beschließt nur du selbst, wie deine vegane Ernährung aussieht. Und wenn dazu gehört, einmal im Jahr bei deiner Oma ein Stück Kuchen mitzuessen, dann ist das vollkommen in Ordnung. Die einzige Person, die über deine Ernährung entscheidet, bist du selbst.

Übrigens: Es gibt auch Schubladen, für Menschen, die die vegane Ernährung weniger streng ausleben. Wenn es dir also hilft, dich einer Gruppe zuzuordnen, du bist keineswegs allein damit. Es gibt unter anderem:

  • Bis-17-Uhr-VeganerInnen
  • Home vegans
  • As vegan as possible (AVAPs)

Warum ich das hier aufliste? Diese »erlaubten« Inkonsequenzen können auch ein Weg zu einer langfristigen Umstellung sein. Auf diesem Weg ist es mir das erste halbe Jahr sehr viel einfacher gefallen, meine Ernährung umzustellen. Ich habe nach dem Prinzip „as vegan as possible“ gelebt. Überall wo es eine vegane Option gab, habe ich diese gewählt. Und wenn es keine gab, dann habe ich mich selbst nicht dafür verurteilt, sondern daraus gelernt.

It’s not about perfection, it’s about direction

Es geht nicht darum immer alles perfekt zu machen, sondern überhaupt etwas zu machen. Jeder Schritt in die richtige Richtung, ist toll und du darfst dich dafür feiern. Habe keine Angst vor Fehlern, das Leben ist dazu da, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Das gilt auch für die vegane Ernährung. Ein Rückfall, ein nicht-veganes Essen oder ein nicht-veganes Kleidungsstück in deinem Kleiderschrank ist nicht das Ende der Welt, sondern der Weg zum Ziel. Du als Person bist nicht weniger wert, nur weil du deinen eigenen Ansprüchen in diesem Moment nicht genügst. Wenn du Fehler gemacht hast und z.B. aus Versehen ein tierisches Produkt gegessen hast, hast du in diesem Moment die Möglichkeit daraus etwas zu lernen – sieh es positiv! Vermutlich wird dir dieser Fehler in Zukunft nicht mehr passieren. Und wenn du mit Absicht etwas Tierisches gegessen hast, kannst du dir überlegen woher dieses Bedüfnis kommt und wie du in Zukunft damit umgehen möchtest. Jeder Veganer lebt einen individuellen Veganismus.

Ich möchte in diesem Beitrag in keinem Fall den Eindruck vermitteln, dass es schwer ist vegan zu leben. Jedoch betrifft die Umstellung auf eine pflanzliche Ernährung nicht nur das, was unmittelbar auf dem Teller landet. Eine Umstellung auf pflanzliche Ernährung benötigt das Einüben neuer Gewohnheiten und das Auseinandersetzen mit sich selbst und der Umwelt. Du darfst Veganismus für dich selbst definieren, es ist dein Leben und deine Entscheidung. Sei nicht zu streng mit dir selbst, wenn du mal einen Fehler machst.